Rezensionen zum Buch: Zen-Meditation - eine Hochgebirgstour

Rezension in der Zeitschrift "connection", Heft 11/12- 2013

Ego-Trekking
Zen-Weg und Zen-Meditation als Lebenserfahrung und Beispiel

(pp).- Sind Sie an Meditation interessiert? Möchten Sie in die Welt der Meditation einsteigen? Meditieren Sie? Haben Sie es schon einmal versucht, sind dann aber wieder davon abgekommen? Falls Sie eine dieser Fragen mit Ja beantworten können, möchte ich Ihnen dieses Buch ans Herz legen: "Zen-Meditation - eine Hochgebirgstour" von Gerhard Breidenstein.

Weshalb diese uneingeschränkte Empfehlung? Bücher über Meditation gibt es wie Felsen im Himalaja. Meist werden sie aus der Perspektive dessen geschrieben, der zu wissen glaubt, wo es lang geht. Er beugt sich zu mir als Leser herab und will mich an der Hand nehmen. Das Thema steht dann wie ein Berg vor mir, und wenn mein Atem und meine Lesemotivation lang bzw. hoch genug sind, halte ich vielleicht durch bis zum Ende. Bei diesem Buch ist es anders. Der Autor nutzt die Metapher der "Hochgebirgstour" zu dem Zweck, verschiedene Aspekte der Zen-Meditation zu erläutern; sie lässt sich aber auch für den Lesevorgang nutzen, denn Breidenstein bahnt dem Leser Kapitel für Kapitel (zehn Kapitel und eine Zusammenfassung) einen immer neuen Verständnisweg ins anspruchsvolle Gelände. Und mit jedem dieser zehn Wege versteht man das Wesen des Gebirges ein wenig besser.

Aber eben nicht aus der Sicht des überlegen Wissenden schreibt der Autor, sondern aus der des Suchenden. Gerhard Breidenstein, evangelischer Theologe und seit über 20 Jahren auf dem Zen-Weg unterwegs, nimmt seine Leser mit auf seine Reise, die noch andauert über dieses Buch hinaus, die aber schon zu vielen Einsichten, Erkenntnissen und Zwischenergebnissen geführt hat. Dazu nutzt er seine ausführlichen Tagebuchaufzeichnungen, die er nicht chronologisch, sondern thematisch zusammengestellt hat und durch Kommentare verknüpft und ergänzt.

Das ist interessant und spannend zu lesen, denn Breidenstein spricht einerseits von der "Sehnsucht nach dem Weg" und den "Gipfelerfahrungen", spart aber die Schluchten und "Unwetter" nicht aus, die so ein Lebensweg zwangsläufig mit sich bringt. Man spürt auf jeder einzelnen Seite: Das ist keine Theorie, sondern gelebte Erfahrung. Kurz vor einem siebentägigen Sesshin, und nach langen Jahren der Übung, schreibt er: "Ich bekam geradezu Angst vor diesen sieben Tagen Meditation am Stück. "Warum bloß tust du dir das an?" fragte meine Frau indirekt und mitfühlend. Erst sagte ich: "Ich muss halt!", später dachte ich: "Ich kann nicht anders" - eine Nuance weniger zwanghaft (?)." Der Leser darf seine Ängste teilen, diese immer wieder aufscheinende Verunsicherung, aber er hat Blut geleckt, das Blut der Stille, wenn man so will. Das jedem offenstehende Ziel ist nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Verlockung - nämlich kein Ziel zu sein, sondern ein Zustand, der dort beginnt, wo alle "Denkeleien" enden, ein Zustand jenseits (oder diesseits) des Benennbaren, ein Raum ohne Wände und Grenzen, eine Zeit ohne Anfang und Ende; ein schweigender, tiefer Friede.

Es ist diese Verlockung, diese existenzielle Chance, die einen als Leser zuverlässig durch die Seiten trägt; aber auch die spürbare Einladung des Autors an seine Leser, es doch ebenfalls zu versuchen, die inneren Stiefel zu schnüren und sich auf den Weg zu machen. Dazu und deshalb sind diese 120 Seiten gespickt mit nützlichen praktischen Hinweisen, wie man es richtig oder eben auch falsch machen kann, immer geboren aus der eigenen Erfahrung und deshalb nachvollziehbar und gut einzuordnen für den Leser. Ob dieser nun selbst den Weg des Zen beschreiten will oder sich einer anderen Form der Meditation zuwendet, spielt letztlich keine Rolle; nützlich sind die Anmerkungen des Autors allemal.

Dass er den Zen-Weg als evangelischer Theologe ging und geht, verleiht seinen Schilderungen eine besondere Würze. Als Leser begleitet man den Autor einerseits auf dem Weg zu meditativen Erfahrungen und Einsichten, andererseits hin zu einer spirituellen Reifung, zum "Abschied von Religion überhaupt". Das dürfte für Christen ebenso spannend sein wie für all jene, die sich im Christentum nicht mehr aufgehoben sehen, aber gerne wüssten, wohin ihr Weg denn sonst führen könnte. Gerhard Breidenstein würde vermutlich antworten "in die unmittelbare spirituelle Erfahrung, wie sie in der Meditation erlebbar wird". Hilde Domin zitiert er deshalb mit diesen Zeilen:

"Nicht müde werden
Sondern dem Wunder
Leise
Wie einem Vogel
Die Hand hinhalten."

Bobby Langer
(Internet-Journalist)

Es ist ein Vergnügen für mich, dieses schmale Buch zu lesen. Schon allein deshalb, weil der Autor den Eindruck macht, als säße er mit mir auf einer Gartenbank, um mir all das zu erzählen. All das, was es damit auf sich hat, wenn man Zen "macht". Überhaupt - das ist ja ein Rätsel - dieses Zen - für den, der`s nicht kennt oder probiert hat. Ich habe auch schon viele Stunden lang nach der Meditationsleere gegriffen und weiß, dass es eine nicht zu beantwortende Frage ist, ob das eine Sache der Disziplin sei oder eben doch nicht. Egal - dieses Buch wirkt auf mich so authentisch wie eine spontan abgeschickte Postkarte oder ein nicht angekündigtes Telefonat im Sinne von "ich wollte mal deine Stimme hören...". Ich weiß nicht, wie lange der Autor wirklich an dem Text gefeilt hat, es ist ja schließlich ein Tagebuch, aber auf mich wirkt er frisch und unumständlich und vor allem transparent. Endlich auch mal ein Buch, in dem das Ringen selbst einen ganz eigenen und zutiefst menschlichen Wert hat, wo die temporäre Bewältigung dieser inneren Versatzstücke der Seele nicht dazu überspringen, gleich wieder eine Anleitung für mich zu werden. In einer bezaubernden Bescheidenheit läd sich diese Inspiration von Zen bei mir ein und schenkt mir ein offenes Fenster, durch das ich etwas sehen kann, das geschwisterlich neben meiner eigenen spirituellen Praxis auf Gott schaut. Das berührt mich. Das freut mich tief drinnen. Ein feines tiefsinniges uneitles Buch!

Ina Kleinod
(Literaturagentur, München)

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